Montag, 5. April 2010

Entschuldigung

Als Blogger ist es mir möglich, persönliche Meinungen zu veröffentlichen, ohne die kritisch-neutrale Distanz zu wahren, die man von professionellen Journalisten erwartet. Was auf der einen Seite Segen ist, weil man nicht auf jedes Wort achten muss, ist es auf der anderen Seite Fluch, weil man voreilig Schlüsse aus einzelnen Partien zieht. In diesem Sinne ist es an mir, mich bei Russell Westbrook zu entschuldigen, als ich ihn für seine Verteidigung angriff und in der Folge als eher schlechten Verteidiger betrachtete. Nachdem ich in letzter Zeit vermehrt Partien der Thunder gesehen habe, muss ich mein Urteil revidieren. Auch wenn ich dabei bleibe, dass er gegen Deron Williams sehr, sehr alt aussah.

Jedenfalls, insgesamt ist Westbrook ein deutlich besserer Verteidiger am Mann, als ich zunächst dachte. Das hängt zum einen mit seiner Schnelligkeit (gerade im Seitwärtsschritt!) zusammen, die es ihm ermöglicht, vor den meisten Angreifern zu bleiben. Zum anderen hat er doch relativ flinke Arme, wie er unter anderem gegen Johnny Flyyn letzte Nacht oder auch gegen Rajon Rondo bewies. Das ermöglicht ihm logischerweise ein insgesamt gutes Paket, um eine erstklassige Defensivklette zu sein, die den Angriff sowohl am Mann als auch in Passwegen terrorisiert. Ehrlich gesagt fand ich sogar diese Fähigkeit Westbrooks in der Verteidigung mit am beeindruckendsten - das Wissen, wann er in Passwege springen kann und dennoch seinen Mann nicht blank stehen lässt. Das hängt zum einen damit zusammen, dass er fast immer seine Finger an den ball kriegt, was für ein gutes Spielverständnis schließen lässt. Zum anderen kann er auch Passwege vorher antizipieren und hat ein untrügliches Gespür dafür, wann sein direkter Gegenspieler kein Teil der Offensivplanungen ist und er somit gegen einen perplexen Gegner im Fall der Fälle schnell genug zurückrotieren kann.

Dennoch hat auch Westbrook ein paar Schwächen in der Defensive, die ich doch dauerhaft beobachtet habe. In besagtem Eintrag schrieb ich:
Erschwerend hinzu kommt, dass Westbrook auf JEDEN Pump-Fake reingefallen ist, der gegen ihn versucht wurde. Vier- oder fünfmal segelte er völlig unnötig durch die Luft. Was ihm nicht so extrem anzukreiden ist, aber auffällig war: Das mangelnde Kämpfen durch Screens. Ich erwarte nicht, dass er den Blocks eines Centers einfach durchläuft, als wäre er nicht vorhanden. Aber so viel Zeit, wie die Jazz durch simple Blocks gegen Westbrook gewannen, ist ungewöhnlich. Und so dermaßen gut waren sie dann auch nicht, dass kein Guard eine Chance gehabt hätte.
Was ich von meiner Kritik noch am ehesten als einmaligen Ausrutscher angesehen hätte, hat sich immer wieder gezeigt: Wenn Westbrook aus der Zone oder nach einem Pick and Roll gegen sich zum Perimeter eilt, fällt er auf jeden Pump Fake rein, was pro Spiel drei- bis viermal vorkommt. Wenn er erst bei der zweiten oder dritten Finte segeln geht - in Ordnung, dann hat sich die Verteidigung halbwegs geordnet und man kann ihm kaum einen Vorwurf machen. So ist aber gerade nach dem Pick and Roll die Defense der Thunder besonders anfällig (was mir einen weiteren Grund gibt, ihnen in den Playoffs geringe Chancen auf die zweite Runde einzuräumen), wobei das nur mein subjektiver Eindruck ist. Selbiges gilt für Screens und Blocks, durch die er sich zwangsläufig durchkämpfen muss: Er braucht viel zu lange, um sich durchzukämpfen und wieder zum Verteidiger zu kommen.

Insgesamt muss ich aber sagen, dass Westbrook verdammt gut für sein Alter ist - wie der Rest des Teams. Ehrlich gesagt macht mir das für die Zukunft schon etwas Angst, wenn ich mir Durants Jumper ansehe, Greens Basketball-IQ und ein GM, der genau weiß, was er macht. Wenn Oklahoma City das Team beisammen hält und noch einen besseren Center findet, wird es richtig interessant. Es ist weit vorgegriffen, aber alleine der Grundstock Durant/Westbrook/Green/Harden verlockt dazu, etwas wie Dynasty zu schreien. Dazu müssen sie noch Erfahrungen in den Playoffs sammeln, beweisen, dass sie ihre Leistungen auch auf der größten aller Vereinsbasketballbühnen abliefern können. Man kann nie prognostizieren, ob Durant ein echter Winner sein wird, bevor er nicht in den Playoffs Gamewinner versenkt oder in den entscheidenden Situationen sein Spiel noch einmal auf eine andere Ebene gehoben hat. Aber das Potential zu etwas sehr, sehr großem ist in Oklahoma City zweifellos vorhanden.

2 Kommentare:

nbachef hat gesagt…

Starker Einblick in deine Gedankenwelt, der lediglich von der sehr selbstkritischen Revidierung deiner frühere Aussagen getoppt wird. Wollte damals was zum Thema: 'Westbrook schlechter Verteidiger' schreiben - das hat sich hiermit mehr als erübrigt. Nuff Respect !

Unknown hat gesagt…

Pah, "Was interessiert mich das Geschwätz von gestern!" pflegte Konrad Adenauer in solchen Situationen zu sagen...