Montag, 15. März 2010

Abseits des Hypes

Es ist nicht einmal zwei Jahre her, als etliche Fans und Experten gleichermaßen die Tage runterzählten, bis Kevin Durants Rookie-Vertrag auslaufen und er Oklahoma City endlich verlassen würde. Einziger Lichtblick in einem hoffnungslosen, untalentierten Team; zu gut, um in Oklahoma City zu versauern - das waren die einhelligen Meinungen. Das hat sich mittlerweile geändert, denn mit einem Kader, der nicht durch große Trades beeinflusst wurde, kämpfen die Thunder mittlerweile um den Heimvorteil in den Playoffs. Dass sie selbige erreichen werden, steht außer Frage und hätte ich mir vor Saisonbeginn nur schwer vorstellen können. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich eher die Clippers in der Endrunde sah. Das war aber natürlich, bevor der Clippers-Fluch auch Blake Griffin traf und ich schockiert feststellen musste, dass Mike Dunleavy noch mehr dämliche Entscheidungen als sonst traf. Und das war schon schwer vorstellbar.

Sei's drum, es geht ja um die Thunder. Wie gesagt: Die Entwicklung hätte ich ihnen nicht zugetraut und mittlerweile sehe ich mir die Spiele von ihnen sehr gerne an, da sie ihren Spielstil des letzten Jahres beibehalten haben: Schnell nach vorne, bei guten Würfen wird nicht lange gefackelt, super athletisches Team (in Ordnung, Krstic und Collison klammere ich bei dem Attribut aus. Aber habt ihr mal Serge Ibaka gesehen? Unglaublich. Who the fuck is B.J. Mullens?). Wer sich nun mit Basketball auskennt, weiß aber, dass in den Playoffs andere Qualitäten gefragt sind. Defensive zum Beispiel, dazu wird in der Regel kaum ein Fastbreak zugelassen. Was übrigens nur zwei von zig Gründen sind, weshalb ich immer noch für ein Aufeinandertreffen von Phoenix und Oklahoma City in den Playoffs bin. Die Serie würde alle Playoff-Gesetze ad absurdum führen (OK, das habe ich schon mal geschrieben, aber ich wiederhole es gerne): Null Defensive, hohes Tempo und trotzdem Mannschaften, Durant wäre ein Kandidat für einen Schnitt weit jenseits der dreizig und das Duell Nash gegen Westbrook wäre ein echter Shootout. Wobei Nash mit seinen Spielmacher-Qualitäten eher den kürzeren ziehen würde, was Scoring angeht.

Ja, richtig gelesen, ich halte Westbrook defensiv für eine Katastrophe und ebenso kaum für einen echten Spielmacher. Haut mir 8,0 Assists im Schnitt um die Ohren, führt seine beinahe eineinhalb Ballgewinne pro Spiel an - obwohl ich ja erst kürzlich meine Meinung zu den Statistiken abgegeben habe - aber wenn ihr damit fertig seid, schaut euch mal ein Spiel von ihm an. Ich nehme mal als Beispiel das der Thunder gegen die Jazz vergangene Nacht, da es den Vorteil bietet, dass mit Deron Williams unumstritten einer der besten Point Guards der NBA am Werk ist (für mich nach Chris Paul der zweitbeste).

Der Boxscore weist 30 Punkte, elf Assists und einen Steal für die Nummer Null der Thunder aus, soweit also ganz nett und vorgaukelnd, dass er es seinen Mitspielern richtig einfach gemacht haben muss, zu Punkten zu kommen. Ehrlich gesagt habe ich während des gesamten Spiels nichts davon gesehen: Westbrook ist, das gebe ich mehr als gerne zu, unglaublich stark im Fullcourt, weil er das Spiel extrem beschleunigen kann, und kann auf beinahe unheimliche Art und Weise Würfe aus dem Dribbling kreieren. Unheimlich deshalb, weil er keine Tendenzen erkennen lässt: Nimmt er den Midrange-Jumper, der bis kurz vor die Dreierlinie reicht? Probiert er den noch nicht ganz sicheren Floater? Zieht er bis zum Brett durch? So weit, so gut. Aber spektakuläre Assists? Fehlanzeige. Er hätte es so einfach, aus dem Dribbling heraus den einfach Kick-Out zu spielen oder zu einem Spieler am Korb durchzustecken. Er lässt diese Art spektakulärer Pässe vermissen, die messerscharf durch die Verteidigung schneiden und den zum Korb ziehenden Spieler so treffen, dass er direkt zum Dunk ansetzen kann. Die quer über die Zone zum völlig freien Distanzschützen in der Ecke fliegen. Die einen aus dem Screen sprintenden Spieler so früh finden, dass dieser alle Zeit der Welt hat (Es ist ein riesiger Unterschied, ob der Pass gespielt wird, wenn der Spieler schon aus dem Screen ist oder genau im passmoment den Screen ausnutzt. Kurz gesagt: Es ist der Unterschied zwischen einem "Wie zur Hölle ist er auf einmal so frei?"-Wurf und einem hastigeren Turnaround, der im schlimmsten Falle sogar noch extrem gut verteidigt wird). Kurz gesagt: Ihm fehlen die Momente, die uns wirklich großartige Point Guards erkennen lassen. Das macht er zwar durch Scoring wett, aber ich weigere mich, ihn als einen starken Point Guard anzusehen. Pässe aus Setplays heraus oder auf Durant, der die Isolation beängstigend gut ausnutzt, erfordern keine großen Fähigkeiten.

In einem vor kurzer Zeit veröffentlichten Beitrag im NBA-Blog erwähnt der Verfasser - Dmitrij Karle - mehrmals die guten Verteidigungsqualitäten Westbrooks. Tatsächlich wurde er 2008 für das collegeinsider.com All Defensive Team nominiert. Wieso, ist mir zumindest allerdings schleierhaft. Im Spiel gegen die Jazz konnte er Williams nicht ansatzweise verteidigen. Kein Wunder, dass alsbald Schadensbegrenzung betrieben und Thabo Sefolosha gegen den Point Guard der Jazz gestellt wurde. Was dazu führte, dass Wes Matthews als Shooting Guard einen persönlichen Punkterekord für ein NBA-Spiel aufstellte. Aber was genau brandmarkt ihn als einen für mich desolaten Verteidiger? Da wäre zum einen die absolute Nicht-Fähigkeit, Williams vor sich zu halten. Klar ist Williams ein physischer Spieler, aber das erklärt noch lange nicht, dass er ein ums andere mal an Westbrook vorbeirennt, als wäre dieser quasi inexistent. Und natürlich hat Williams das auch gemerkt. Als Paradebeispiel dient das dritte Viertel und die Änderung in Williams' Spielstil, als Sefolosha mit dem vierten Foul auf die Bank muss. Erschwerend hinzu kommt, dass Westbrook auf JEDEN Pump-Fake reingefallen ist, der gegen ihn versucht wurde. Vier- oder fünfmal segelte er völlig unnötig durch die Luft. Was ihm nicht so extrem anzukreiden ist, aber auffällig war: Das mangelnde Kämpfen durch Screens. Ich erwarte nicht, dass er den Blocks eines Centers einfach durchläuft, als wäre er nicht vorhanden. Aber so viel Zeit, wie die Jazz durch simple Blocks gegen Westbrook gewannen, ist ungewöhnlich. Und so dermaßen gut waren sie dann auch nicht, dass kein Guard eine Chance gehabt hätte. Kurz und (nicht) gut: Wer das Spiel sieht, fühlt sich stark an Steve Nash erinnert.

Das alles soll nicht dahin führen, dass ich Westbrook für einen schlechten Spieler halte - im Gegenteil: Er passt sehr gut zu den Thunder, da dort kein richtiger Point Guard gebraucht wird und er hat seine Qualitäten in der Offensive (nur eben nicht im Passen). Aber der Hype, der nach seinem Triple-Double und Double-Doubles am Fließband um ihn entstanden ist, erschließt sich mir nicht. Dafür sind seine Schwächen zu offenkundig. Genauso teile ich (noch) nicht den Hype um die Thunder, wenn es in die Playoffs geht: Sie sind gut, aber unerfahren. So ziemlich jeder Spieler wird sein Playoff-Debüt geben (meines Wissens nach sind bislang nur Collison, Krstic und Sefolosha in den Playoffs aufgelaufen), was gegen erfahrene Teams wie Utah oder Phoenix den Ausschlag geben kann. Gegen härtere Kaliber wie Dallas oder Denver (eigentlich nur möglich, wenn Oklahoma "nur" Sechster wird) sehe ich kaum eine Chance. Aber es wäre ja auch nicht das erste mal, dass ich mich in Bezug auf die Thunder irre.

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