Sonntag, 7. März 2010

Was Zahlen nicht ausdrücken

Es ist ein Phänomen, dass seit drei Jahren zunehmend um sich greift und momentan eine absolute Modeerscheinung im amerikanischen Basketball ist: Sog. Advanced Stats, die die klassischen Statistiken aus dem Boxscore kombinieren, um zum Beispiel die Effektivität eines Spielers auszudrücken oder die produzierten Siege. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das am Anfang ganz spannend ist und man denkt, dass man großartige Zusammenhänge realisiert, die einem vorher verborgen blieben. Dann fängt man an, sich etwas mehr mit den Statistiken zu beschäftigen und siehe da, man findet Statistiken, die mit der Realität rein objektiv wenig bis nichts zu tun haben. Gilbert Arenas hat in der aktuellen Spielzeit besser gespielt als Derrick Rose, Gerald Wallace oder Tyreke Evans? Wohl kaum, gleichwohl uns das PER dies weismachen will. Ebenso darf bezweifelt werden, dass Greg Oden der achteffektivste Spieler der Liga ist.

Wo für meinen Geschmack die Statistiken - auch die neu erfundenen, weitergehenden - versagen, ist vor allem in der Defensive. Bei mir stellen sich jedes Mal aufs Neue sämtliche Haare im Nacken auf, wenn ich Kommentatoren, Blogger oder Fans davon reden höre, dass Spieler X ein großartiger Verteidiger ist, weil er zwei Blocks oder Steals im Schnitt macht, da das die beiden einzigen Verteidigungsstatistiken sind, die im Boxscore auftauchen (neben defensiven Rebounds). Ist Andrea Bargnani ein guter Verteidiger, weil er 1,4 Blocks pro Spiel holt? Natürlich nicht, er wird immer noch von beinahe jedem Center im Post rumgeschubst. Samuel Dalembert ist ebenso ein mittelmäßiger Verteidiger, hat aber einen der höchsten Schnitte der Liga, was Blocks pro Spiel angeht. Noch abstruser wird die Fixierung auf diese Statistiken, wenn man sich die Steals ansieht: Monta Ellis ist alles andere als ein sehr guter Verteidiger, holt aber 2,1 Steals pro Spiel. Jason Kidd rangiert in dieser Kategorie auf Rang drei, obwohl er kaum einen Aufbau mehr vor sich halten kann. Beispiele lassen sich genügend finden.

Dagegen vermisse ich Statistiken, die sich mit wirklich relevanten Aspekten beschäftigen: Wie viele Punkte erzielt Spieler X gegen Dwyane Wade, wenn er im Eins gegen Eins spielt? Wie oft hält Amare Stoudemire seinen Gegenspieler davon ab, im Post gegen ihn zu scoren? Und wie viele Pump Fakes braucht es im Schnitt, damit Stoudemire segeln geht (vermutlich nicht allzu viele)? Wie oft holt Monta Ellis seine Steals "am Mann", also aus der eigentlichen Verteidigung heraus? Und wie oft holt er sie, indem er sich in den Passing Lanes rumtreibt, wohlwissend, dass die gesamte Verteidigung kollabiert, sollte er am Ball vorbei hechten? Das sind die Sachen, die mich interessieren und die eine wirkliche Aussagekraft haben. Ich bin mir sicher, dass in den Statistikbüros der NBA Teams diese Dinge längst evaluiert werden. Wie sehr sie den öffentlichen Stats voraus sind, zeigte zum Beispiel ein Interview mit Daryl Morey im vergangenen Jahr, als er Tracy McGrady verteidigte und davon sprach, dass dieser die meisten "True Assists" verteile. True Assists bezeichnet die Anzahl der Pässe, die zu völlig offenen Würfen führen, unabhängig davon, ob der Mitspieler den Ball durch die Reuse bringt oder nicht. Solche Statistiken zählen für mich, keine Effektivitätsrankings, die abenteuerliche Ergebnisse produzieren können.

Ganz abgesehen davon, dass es immer noch Sachen gibt, die Statistiken niemals ausdrücken können: Wie gut ist die Teamchemie? Reißen sich die fünf Spieler, die auf dem Parkett stehen, für die anderen den Allerwertesten auf? Oder ist ein fauler Apfel dabei, der eher an seinen eigenen Statistiken interessiert ist (Ricky Davis lässt grüßen)? Mit welchem Einsatz, mit wie viel Herz geht jemand zu Werke? Ist der Block, den jemand stellt, wirklich gut oder eher alibimäßig und der Spieler rollt sofort wieder in eine andere Position ab (zum Beispiel ist Tyson Chandler offensiv ein mehr als limitierter Spieler, stellt aber wahnsinnig gute Blocks)? Niemand hält das fest, obwohl es genauso zum Erfolg und Misserfolg der Teams beiträgt. Und das ist das schöne an Basketball: Man kann mit Statistiken versuchen, die Spieler individuell vergleichbar zu machen. Aber es ist und bleibt ein Teamsport und man muss das Spiel sehen, um jemanden fundiert beurteilen zu können.

2 Kommentare:

pushi hat gesagt…

Hi, ich habe hier
http://win-or-go-home.blogspot.com/2009/03/was-ist-win-or-go-home.html?showComment=1267194261759#c3573430196978266458
eine Anfrage hinterlassen, vielleicht kannst du antworten.

Arndt hat gesagt…

schöner artikel. besonders im teil zur defense konnte ich mich wiederfinden :)