Montag, 29. März 2010

Wankender Favorit

Es ist noch nicht einmal einen Monat her, als ich über die Probleme der Denver Nuggets schrieb. Haupttenor damals war, dass Carmelo Anthony sein Spiel deutlich steigern müsse, damit Denver weiterhin zu den Topteams im Westen gehört. Das hat der aktuell drittbeste Scorer der NBA auch zweifellos getan, momentan finden sich wenig stärkere Akteure in der besten Basketballliga der Welt. Was mir dagegen momentan negativ auffällt, ist das Loch, das die Verletzung von Kenyon Martin ins Team gerissen hat.

Zugegeben, Kenyon Martin war schon immer ein sehr verletzungsanfälliger Spieler, aber man war geneigt, diese Tatsache nach zwei mehr oder weniger verletzungsfreien Saisons als Vergangenheit abzutun. Jetzt wurde die Franchise aus Colorado schmerzlich daran erinnert, auf welch fragilem Fundament der Erfolg seit dem Beginn der Saison 2008/09 gebaut war: Johan Petro läuft momentan als Starter für Denver auf, Malik Allen und Joey Graham kommen als Alternativen von der Bank. Ganz ehrlich, diese Namen sollten so selten wie möglich in der Rotation eines Meisterschaftsanwärters auftauchen und schon gar nicht 48 Minuten unter sich aufteilen, wie es letzte Nacht gegen Orlando geschah. Die eigentlich vorhandene Alternative für Martin, Chris "The Birdman" Andersen, macht auf mich momentan einen desolaten Eindruck: Offensiv ohnehin limitiert, wirkt er auch in der Verteidigung lustlos - fehlendes Timing beim Blocken, was eigentlich seine große Stärke ist, wenig Einsatz beim Kampf um die Rebounds, eher alibimäßige Verteidigung im Lowpost. Im letzten Jahr war er noch der große Energizer von der Bank, jetzt ist davon nicht mehr zu spüren. Da Martin wohl mindestens bis zum Beginn der Endrunde ausfallen wird, wäre ein starker Andersen für die Nuggets unglaublich wichtig.

Ein weiterer Punkt, den ich absolut nicht nachvollziehen kann: Wieso spielt Ty Lawson kaum noch eine Rolle? Anthony Carter ist für mich der personifizierte Nonfactor: In der Offensive dribbelt er viel zu lange mit dem Ball umher, ohne auch nur irgendwas produktives zu leisten. Seine einzige Leistung besteht oft genug darin, einen Spielzug anzusagen und irgendwann einen vorhersehbaren Pass zu spielen, der selten einen wirklich offenen Wurf ermöglicht. Erschwerend hinzu kommt, dass der Gegner ihn nicht einmal zu verteidigen braucht: Ganze zwei Pünktchen erzielte er in den letzten fünf Spielen und das bei mickrigen sieben Wurfversuchen. Nennt mir einen Grund, warum ich als Coach einen Verteidiger gegen ihn stellen sollte. Die Defensive ist dann auch der einzige Bereich, in dem Carter seinem berühmteren Namensvetter Vince in nichts nachsteht: Sein Verteidigungsverhalten dürfte in den USA mit dem neuen Trendwort "Matador" beschrieben werden - er schafft es, niemanden vor sich zu halten und würde wohl selbst von Eric Snow oder Marc Jackson aus dem Dribbling heraus geschlagen werden, wenn die beiden denn noch spielen würden.

Auf der anderen Seite hat man mit Ty Lawson einen äußerst talentierten Rookie, der im Gegensatz zu Carter nicht nur hirnlos nach vorne dribbelt und dann nicht weiß, was er machen soll, sondern ein außerordentlich gutes Gespür für den Spielrhythmus hat. Lawson kann beinahe problemlos zum Korb ziehen und so durch Ableger oder Kick-Outs einfache Würfe für Mitspieler kreieren, selber hochprozentig abschließen und/oder den Gegner in Foulprobleme bringen. Sein Distanzwurf ist ebenfalls um Welten besser als der von Carter, von der Verteidigung ganz zu schweigen (Lawson ist hier sicher keine Koryphäe, aber auch kein Polygon, das es lediglich zu umdribbeln gilt). Ganz ehrlich, was hat er verbrochen, dass er nicht mehr spielen darf? Ich kapiere das einfach nicht, zumal lawson ja bis zu seiner Verletzung bewiesen hat, wie wichtig er sein kann.

Was ebenfalls wichtig an seiner Spielweise ist: Die Denver Nuggets erinnern mich stark an die Miami heat aus dem Jahr 2006, was die Abhängigkeit von Freiwürfen angeht. Sicherlich haben sie auch so sehr gute Spieler, die nicht unbedingt an die Freiwurflinie müssen, um ein Spiel zu entscheiden. Aber auf Dauer ist es eben doch ein sehr großer Faktor im gesamten Konstrukt der Nuggets. Anthonys 26 Punkte gegen Orlando sehen schon nicht mehr ganz so rosig aus, wenn er dafür 25 Würfe benötigt oder in anderen Worten: Er war nicht so effektiv wie gewohnt. Chauncey Billups fiel während der gesamten Partie nicht großartig auf, unter anderem, weil er kein einziges Mal zur Freiwurflinie durfte. Wenn die Referees in den Playoffs so pfeiffen wie gegen Orlando - und es wäre nicht das erste Mal, das in der Endrunde mehr Körperkontakt zugelassen wird - muss sich Denver andere Wege einfallen lassen, um zu Punkten zu kommen. Gegen die Magic verließ man sich auf schlechte Würfe aus der Mitteldistanz, die ab Mitte des dritten Viertels nicht mehr fielen und somit Orlando die Gelegenheit gegeben wurde, das Spiel zu entscheiden. Eigentlich wäre es schon in der ersten Hälfte so gewesen, wenn nicht Malik Allen so ziemlich jeden Wurf versenkte. Aber dass man sich darauf besser nicht verlässt, zeigte dann der zweite Durchgang.

Alles in allem bin ich mittlerweile ernsthaft um die Nuggets besorgt, da Martin, sofern er dann überhaupt wieder fit ist, sich in den Playoffs einspielen muss. Auch die angesprochene Problematik mit den Mitteldistanzwürfen, die ebenfalls schon Anfang März von mir thematisiert wurde, scheint keine Eintagsfliege zu sein. Dazu die defensiven Probleme gegen gegnerische Forwards, die doch recht dünne Bank und das allgemein enge Tabellenbild in der Western Conference verheißen nichts gutes. Das back-to-back gegen Dallas heute Nacht dürfte mit der Anreise aus Orlando und dem Umstand, dass Anthony 41 Minuten auf dem Parkett stand, nur äußerst schwer zu gewinnen sein. Auch der restliche Spielplan - die Clippers sind der einzige Gegner mit negativer Bilanz - spricht nicht gerade für Denver. Ich fürchte sogar fast, dass man in der ersten Runde ausscheiden könnte. Anthony und Billups sprechen zwar dagegen, genauso wie das Selbstbewusstsein. Aber es müssen sich die genannten Spieler steigern bzw. überhaupt wieder eingesetzt werden, um den Abwärtstrend (1-4 aus den letzten Spielen) zu stoppen. Gefallen ist Denver (noch?) nicht, aber sie wanken bedrohlich.

2 Kommentare:

Arndt hat gesagt…

hey, an dieser stelle mal die beiden daumen hoch für deinen blog. :-) gute arbeit! hab mir heute mal alle beiträge in diesem monat durchgelsen und sage: top! hoffentlich dann in den playoffs ebenso und am liebsten noch mehr! :-)

Malte Arndt hat gesagt…

Danke für's Lob. Ich versuche natürlich, in den Playoffs noch etwas mehr zu schreiben, aber versprechen kann ich es nicht. Jedenfalls freut es mich, wenn du hier regelmäßig liest und dir die Einträge gefallen. :-)