Dienstag, 2. März 2010

Quo vadis, Denver?

Zugegeben, als momentan drittplatzierter der Western Conference erscheint die Überschrift ein wenig ketzerisch. Umso mehr, da ich kein großer Fan davon bin, aus irgendwelchen Auftritten Anfang März Rückschlüsse auf mögliche Playoffs zu ziehen (obwohl ich genau das mit meinem vorherigen Blogeintrag getan habe - sei's drum...). Aber ich kann nicht anders, als nach den beiden letzten Auftritten der Denver Nuggets in Los Angeles und Phoenix einige Sachen zu bemängeln, die sich bis zum Beginn der Playoffs in der Mile High City ändern sollten, will man erneut die Western Conference Finals oder sogar mehr erreichen. Und vorweg sei gesagt, dass ich mir durchaus im klaren darüber bin, dass mit Ty Lawson sowie Chris Andersen zwei Drittel der Bank Denvers entweder total ausfielen bzw. im Falle von Andersen angeschlagen waren und dann ausfielen. Dennoch sind die folgenden Probleme eher substantieller Natur und nicht nur auf das Fehlen einiger Spieler zurückzuführen.

Da wäre zum Beispiel Kenyon Martin - defensiv macht der ehemalige Nummer Eins-Pick zwar nach wie vor einen super Job, aber offensiv war seine Entscheidungen selten die cleversten. Im speziellen geht es dabei um seinen Wurf aus der Mitteldistanz, der zwar alles andere als sicher fällt - gegen Phoenix produzierte er völlig unbedrängt einen Airball - aber dennoch gerne genommen wird. Matt Moore schrieb nach dem Lakers-Spiel dazu: "The Nuggets have relied on Martin's mid-range J way too much this season. It's one of those shots that is nice to have, but that you can't rely on. And when the Nuggets came to rely on it today, with Ron Artest smothering Anthony and no other wing offense being produced, they choked on it." Womit eigentlich schon fast alles dazu gesagt ist: Es ist eine Sache, wenn Martin ab und zu auf einer Distanz von 15 oder mehr Fuß wirft, weil die Wurfuhr abläuft und keine andere Optionen verfügbar sind. Es ist aber eine völlig andere, wenn Martin diese Würfe regelmäßig nimmt, weil er denkt, dass sie fest in seinem Repertoire sind. Jeder Gegner wird Martin aus dieser Distanz gewähren lassen und nach den beiden Niederlagen dürfte Denver gemerkt haben, dass Martin sich weiterhin eher um Putbacks kümmern sollte. Negativer Nebeneffekt dieser grausamen Würfe: Nene, den ich als offensiv vielfach potenter ansehe als seinen Nebenmann, kriegt nicht ansatzweise häufig genug den Ball im Post, womit das Offensivspiel Denvers phasenweise zum Erliegen kommt.

Der nächste Punkt, der besonders auffiel: J.R. Smith von der Bank kann einem Coach eigentlich nur Kopfschmerzen bereiten. Bestes Beispiel dafür sein Auftritt in Phoenix, als er bis Mitte des dritten Viertels einen schlechten Wurf nach dem anderen nahm, lediglich einen Fastbreak-Dunk versenkte und großen Anteil daran hatte, dass Phoenix das Spiel binnen 18 Minuten entschied. Wieso in Gottes Namen nimmt er einen Dreier, wenn er keine feste Position hat und Channing Frye direkt vor ihm steht? Wieso wirft er aus der Bedrängnis heraus einen Airball, statt auf den völlig frei stehenden Anthony zu passen, als immerhin noch drei Sekunden auf der Wurfuhr waren? Solche Sequenzen sind mehr als frustrierend, wenn man sich vergegenwärtigt, welches Talent in dem Shooting Guard schlummert. Dass er es kann, bewies er in der Endphase des Spiels gegen Phoenix, als er plötzlich seine Würfe traf und sein Spiel laut Boxscore insgesamt sogar halbwegs passabel zu sein schien. wer das Spiel selber gesehen hat, weiß aber, dass dem nicht so war. Ich bzeweifel mittlerweile sehr stark, dass Denver mit Smith als wichtigstem Bankspieler wirklich reif für den Titel ist. Er kann an guten Tagen den Unterschied machen, aber die Gefahr, dass er sein Team mit seiner egozentrischen Spielweise killt, ist immer gegeben. Ich will nicht die beiden Niederlagen an ihm alleine festmachen, aber er trägt gewiss seinen Anteil daran.

Der Punkt, der Denver aber am meisten Sorgen amchen sollte, ist die Krise, die Carmelo Anthony momentan durchläuft. Er kriegt zwar nach wie vor oft genug den Ball in der Offensive, aber seine Effektivität steht mittlerweile in keinem Vergleich mehr zu den exzellenten Auftritten, die er bis zu seiner Verletzung im Januar gezeigt hat. So zeigt er in letzter Zeit ein ungewohnt zittriges Händchen von der Freiwurflinie (20-34 in den letzten vier Spielen) und auch seine Wurfauswahl im Spiel selber lässt zu Wünschen übrig: Für meinen Geschmack nimmt er viel zu häufig den Wurf aus der Mitteldistanz, wenn es bei ihm nicht läuft, obwohl er gerade dann zum Korb ziehen sollte. Seine Versuche von jenseits der Dreierlinie wirken ebenfalls zu oft erzwungen und selten seinem Rhythmus und dem Rhythmus des Spiels angepasst. Mir ist klar, dass er nicht jeden Abend Galauftritte wie jenen in Cleveland abliefern kann, aber in seiner momentanen Verfassung kann Anthony das Team kaum tragen, obwohl die Nuggets nur mit einem Anthony in Bestform eine Chance auf den Titel haben werden.

Umso tödlicher sind seine momentan Schwierigkeiten in der Offensive, als dass er defensiv schon immer zu den schwächsten Akteueren auf dem Parkett gehörte. Eine weitere Kostprobe aus dem Phoenix-Spiel: Grant Hill spielt im ersten Viertel Eins gegen Eins mit Anthony im Fastbreak, steigt nach der üblichen Finte zum Layup hoch, während Anthony sich wegduckt, aber warum auch immer seinen Arm nach Hill ausstreckt und diesem so den Bonusfreiwurf schenkt. Dieses Verteidigungsverhalten hat schon etwas von Vince Carter, was nun wahrlich nicht als Kompliment gesehen werden kann. Dazu baute Phoenix seinen letztlich spielentscheidenden Lauf auf einem Spielzug auf, der lediglich einen Switch in der Defensive bewirkte: Anthony musste plötzlich Dragic verteidigen, während Hill Billups als Gegenspieler hatte und dementsprechend häufig in den Post zog. Wie man auf diesem Niveau einen so simplen Spielzug - im wesentlichen nur ein Screen - so dermaßen schlecht verteidigen kann wie Anthony und Billups, ist mir ein Rätsel. Ebenfalls auffällig ist, dass Hill und Artest zwar nicht die unbekanntesten Spieler der Liga sind, aber in diesem Jahr auch nicht für ihre offensiven Ausbrüche bekannt wurden. Dass beide nacheinander extrem starke Spiele mit Anthony als Verteidiger auflegen, darf nur bedingt als Zufall gewertet werden. Und es ist nie ein gutes Zeichen, wenn jemand wie Anthony von Grant Hill aus dem Dribbling heraus ausgespielt wird.

Insgesamt stehen die Nuggets natürlich immer noch sehr gut da, sie gelten zurecht als einer der größten Herausforderer Los Angeles' im Westen, aber die angesprochenen Probleme müssen bis Mitte April behoben werden, wenn es etwas mit dem Titel in Colorado werden soll. Es wird sicherlich helfen, wenn Ty Lawson wieder spielen kann, da er ein wichtiger Faktor von der Bank ist (Denver implodierte gegen Phoenix vor zuerst, als sich Billups und Anthony die erste Pause gönnten). Trotzdem muss man konstatieren, dass die letzten Wochen kaum nach dem Wunsch der Nuggets verliefen und es durchaus symbolisch gesehen werden darf, dass Dallas mit dem Sieg gegen Charlotte letzte Nacht auf den zweiten Platz im Westen kletterte.

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